jodeldosen nennen architekten manchmal jene einfamilienhäuser im typischen tiroler stil, die sich angeblich so gut in die gegend einfügen.
ein klarer gegenpol, entstanden anfang der 90er jahre, und doch kein widerspruch zur landschaft, ist das einfamilienhaus von karl heinz auf der hungerburg, ein exponierter bau an der aussichtsreichen hangkante des steilen geländes. es lehnt sich mit dem rücken zum hang, sein gesicht wendet es der stadt zu. ein haus in prominentem architektonischen ambiente außerdem, direkt neben dem ehemaligen hotel mariabrunn von siegfried mazagg und nicht weit entfernt von der talstation der nordkettenbahn von franz baumann.
der weg durchs haus beginnt am höchsten punkt, unter einem von corbusier beeinflussten flugdach. von dort aus erreicht man über eine treppe den obersten, großzügigen wohnbereich mit rundem essplatz und einer auskragenden terrasse. deren vorderkante dreht sich wie eine spitze kanzel aus der fassade des hauses heraus, um so die innenstadt, nicht die reichenau, in den blick zu nehmen. in zwei stockwerken unterhalb befinden sich die arbeits- und schlafräume mit ihren ebenfalls runden badezonen. als eigenes, zylinderförmiges bauelement verbinden essplatz und badebereich die drei geschosse, auch von der badewanne aus hat man den blick auf innsbruck. stadt und landschaft sind in diesem haus allgegenwärtige kulisse für den alltag der bewohner.
die verwurzelung im berg und die sehnsucht nach weite verschränken sich räumlich in einem wohnort, an dem wie im antiken theater eine einmalige naturkulisse dem schauspiel - hier dem familiären alltag - hinterlegt wird.
walter m. chramosta
in: »autochthone architektur in tirol«
